Ardèche-Gravelwoche

Unsere geplante Route, der wir recht genau folgten. Gestartet sind wir schon in Valence.

Fast wäre der Redakteur alleine in der Ardèche gelandet. Von uns fünf kleinen Bikerlein schwätzen zwei solange am Basler Bahnhof, dass es ihnen nur dank grosser Nachsicht der Schaffnerin in den Velowagen ganz vorne im Zug reichte. Beim Umsteigen in Bern am zugegebenermassen überfüllten Perron stiegen dann die nächsten auf der falschen Perronseite ein – in den Zug zurück nach Basel. Schlussendlich waren wir aber alle im richtigen Zug nach Genf, verteilt über verschiedene Waggons mit überfüllten Veloabteilen.

Danach besserte es. In Lyon am Bahnhof reichte es zu einer Flasche St.-Joseph (Patricks Zahlungsversuch mit einer zerrissenen 50-Euro-Note scheiterte).

Patrick dachte wohl, wir würden es bis ans Meer schaffen, darum das Seemannstrikot.
Wenn wir hier keinen Wein getrunken hätten, wären gewisse von uns wohl schon in Tain l’Hermitage / Tournon ausgestiegen.

In Valence konnten wir die lange Zugreise erfolgreich gegen vier Uhr nachmittags beenden. Das reicht noch für aufs Velo! Schnell 15 km das Rhonetal runter und 25 km schön angenehm auf einem ehemaligen Bahntrasse das Eyrieux-Tal rauf bis Ollières sur Eyrieux.

Hier zeigte sich schon, dass es etwas in Frankreich auf dem Lande kaum mehr gibt: nämlich französische Küche. Restaurants hatte es keine, dafür einen Imbisswagen lauschig am Fluss mit Hamburgern und immerhin ein paar Biersorten (mit maximal 2 Flaschen pro Sorte).

La Françe profonde mit typischer Küche

Schnell noch zwei Flaschen Wein (beim Metzger) und Sandwiches beim Bäcker gekauft, und dann auf zum ersten der beiden Zeltplätze am Ort. Man wollte uns nicht, „kein Platz mehr“, obwohl es offensichtlich noch freie Plätze hatte. Der zweite Zeltplatz gab uns telefonisch die selbe Auskunft. Also Weiterfahren und Platz zum Wildzelten suchen. Der fand sich schon bald in Form eines Picknickplatzes am Rand des Bahntrasse-Veloweges. Nicht sehr schön, aber flach und mit Tisch und Bänken.

Gleich rechts unterhalb der Bäume ist der Zeltplatz mit noch freien Plätzen.

Nach dem Nachtessen gönnten wir uns die ersten von Kurts leckeren Brownies (vielen Dank!) und freuten uns auf eine ruhige Nacht, schliesslich würde nachts wohl kaum jemand auf diesem Veloweg auf dem Land verkehren. Falsch gedacht: Die erste Ruhestörung kam in Form einer Person, die um unsere Zelte schlich und wohl ein Velo klauen wollte. Es folgten Partygänger, Autos, und das ganze wurde unterlegt von viel Motorrad- und Autolärm auf der nicht sichtbaren, aber um so besser hörbaren Talstrasse, letzteres offenbar nach dem Motto: „was die in Massa können, können wir hier in Frankreich auch“.

Nach der unruhigen Nacht pedalierten wir auf der immer sehr angenehmen, zunehmend steileren und aussichtsreicheren ehemaligen Bahnstrecke weiter talaufwärts.

Wir fahr’n fahr’n fahr’n auf der Eisenbahn… und im Clubtrikot, das im Lauf der Tour allerdings immer wieder unter der Regenjacke verschwand.

Unser erster Frühstücksversuch unterwegs scheiterte (Wirtin war anwesend, aber wir seien zu früh), aber im zweiten Café an der Strecke klappte es (es war zu früh und noch abgeschlossen, aber die Wirtin öffnete extra für uns). Entweder ziemlich unfreundlich oder sehr freundlich: dieses Muster sollte sich noch öfter wiederholen.

Mittagsessenshungrig ereichten wir schliesslich St. Agrève und damit die Hochebene am oberen Talende.

Die wahre Maschine auf diesem Bild ist nicht die Lok.

Ein schönes Restaurant lockte, doch wir wurden mit einem grantigen NON abgewiesen und fanden schliesslich nur noch einen Schnellimbiss. Wieder Burger, Maxi-Döner (wirklich MAXI) und Pommes frites, aber sehr freundlich: Als das schöne Wetter einem Wolkenbruch weichen musste, durften wir über die Schliesszeit bleiben, bis es aufhörte zu regnen. Und die vielen Kaffees waren alle gratis.

Hier hatten alle ihre Taschen richtig zugemacht, so dass die Kleider trocken blieben. Das sollte sich im Lauf der Tour noch ändern…

„Noch zwanzig Kilometer, ziemlich flach, in ein bis eineinhalb Stunden schaffen wir es zu unserem Ziel in Fay-sur-Lignon“ versprach uns Patrick. Schön wärs gewesen, aber jetzt war plötzlich Schluss mit schönen Radwegen. Traktorwege mit Pfützen, Steinen, Wurzeln usw. verlängerten unsere Fahrzeit auf mindestens das Doppelte.

Dafür wurden wir in Fay-sur-Lignon von einem tollen Café empfangen, mit sehr netter Bedienung und riesiger Bierauswahl.

Das „p’tite mère“-Pale-Ale unten mit der roten Etikette hatten wir, aber pression. Sehr gut!
Gut ist ein Bier…
… besser sind zwei…
… und dann ein Wein. — Das verlockende, im Cafè gekaufte Glas Rilletes links unten sollte übrigens noch etliche Höhenmeter erleben, bis es zum Einsatz kam.

Restaurants gabs keine im Ort, und wir hatten uns schon auf Pizza über die Gasse eingestellt, als unsere freundliche und gesprächige Gîte-Gastgeberin fragte, ob wir denn in der Gîte Nachtessen wollen. Natürlich wollten wir, und es schmeckte auch sehr – guter Salat und Reis mit Würsten – kein Fastfood, juhee!

Man beachte die edlen Modemänner, welche ein Hemd mitgenommen hatten auf die Tour.

Mit uns ass Jean-Luc aus der Ardèche-Region, der alleine eine Wochenendrunde machte und dabei in einen Hagelsturm geraten war. Er versorgte uns mit allerlei Tipps zu unserer weiteren Strecke.“C’est beau ici, mais les Cevennes, c’est vraiment sublime.“ Ja, da wollten wir auch noch hin.

Am nächsten Morgen ging es bei leicht feuchter Witterung zuerst aufwärts über einigermassen erträgliche Wege weiter am Mont Mezenc vorbei. Abwärts dann die Herausforderung: was einmal ein zirka zwei Meter breiter Weg gewesen sein muss, war nun ein metertiefer Graben mit Wegresten am Rande. Irgendwie hat es noch Spass gemacht, aber dem Vorankommen war es nicht förderlich.

Das Café bei diesem auffälligen Hügel namens Gerbier-de-Jonc war schon seit längerem aufgelassen, aber gleich ein paar Meter weiter wartete doch tatsächlich ein offenes Restaurant am Col de la Clède auf uns, mit einem Hinweis auf die Source de la Loire. Nichts wie rein (ins Restaurant, nicht in die Loire).

Da wir in Frankreich sind, wird der Fluss nicht als „Weg zum Meer“ oder ähnlich geehrt, sondern als „Mutter und Königin“ des Sancerre-Weingebietes.

Ab hier nahmen wir wegen der schlechten Wege teilweise die Strasse. Einen schönen Singletrail hatten wir unterwegs auch, alle genossen ihn, insbesondere der Redakteur, der vorausgeschickt wurde, um das Wasser von den triefnassen Zweigen abzustreifen. Und dann gabs noch eine schöne Abfahrt durch einen Ginsterwald nach Saint-Cirgues-en-Montagne.

Dort kauften wir schon mal Brot, Käse usw. zum Nachtessen ein, und weiter gings, meist bergauf, manchmal Strasse, manchmal nasse Wege durch schöne Blumenwiesen.

Angesichts des schlechten Wetters entschlossen wir uns zu einer Übernachtung in der Gîte auf dem Col de la Chavande.

Die Schlaf- und Duschräume waren ganz klar Work in Progress, man sah, dass der Chef hier selbst handwerkte. Aber gut zum Schlafen, und die Gaststube war ein richtiges Restaurant mit französischer Küche.

Der nächste Tag brachte schönstes Wetter, und wir kurbelten auf perfekt geteerten Strassen dahin, dass es nur so eine Freude war — nur unterbrochen durch eine schlussendlich erfolgreiche Suchaktion nach einer Gabeltasche, welche sich bei einer rasenden Abfahrt selbstständig gemacht hatte.

Nach einem Kaffee-Halt in einem ebenso winzigem wie charmantem Örtchen namens Loubresse

wurde die Landschaft immer südlicher,

eine Dreiergruppe preschte durch auf einem spassigen Gratweg durch Ginsterfelder

und nach dem Col du Croix de la Femme Morte

rasten wir schliesslich auf Sandpisten zwischen Kiefernwäldern über eine Hochebene, dass es eine Freude war. Am Ende der Hochebene verpicknickten wir mit Blick ins tiefe Tal unsere lang mitgeschleppten Brote, Käse, Rillettes und Salami.

Dann runter ins Tal nach Pied-de-Borne, wo wir wieder einkaufen wollten, aber mangels offenen Ladens in der Taverne de Aiga landeten (sehr schön, gute Bierauswahl), und vom Nebentisch vertraute Klänge hörten — eine Elsässer Motorradgruppe hatte die Taverne auch entdeckt.

Da wir in Pied-de-Borne nicht einkaufen konnten, wählten wir uns den nächsten grösseren Ort Villefort als Etappenziel. Ein Bier und ein Weisswein im Ort, und dann hoch zum Zeltplatz mit Schwimmbad.

Unser Zeltplatz im Villefort am Abend. Am nächsten Morgen war es immer noch trocken, also das heisst bis zirka 30 Sekunden, nachdem wir die Zelte abgebaut und eingepackt hatten.
Manche hatten auch im Schwimmbad noch nicht genug vom Velofahren. Hättet halt doch über den Hügel nach Villefort fahren sollen statt das Tal entlang 🙂

Zum Nachtessen fanden wir ein schönes klassisch französisches Restaurant im Ort.

Patrick bestellte aus lauter Freude gleich einen Champagner. Mmmh.
Als Vorspeise nahmen die Kenner die Crème brulée aux Cèpes – hervorragend

Der vierte Tag war für les Cevennes sublimes vorgesehen, aber schon am Zeltplatz mussten wir gleich unter ein Vordach flüchten…

Gegen diesen Regen nützt auch die Zimtsternkappe nichts.

…und dann mehr als den halben Tag bei strömendem Regen in einer Beiz in Villefort vertrödeln.

Ein durchnässter Rennvelofahrer traf hier ebenfalls ein und wollte ans selbe Etappenziel wie wir, ausgerüstet mit Uralthandy plus Touristeninfo-Faltblatt statt richtiger Landkarte. Schlussendlich liess er sich dann von seinen Kollegen im Auto hinbringen.

Unsere Velos, sechs Stunden im Regen…

Um 13:30 war der Regen endlich so schwach, dass wir auf den Aufstieg in die Cevennen angehen konnten. Oben angekommen, mussten wir wegen einer Wegsperrung abkürzen, so dass wir schlussendlich nur etwa eine Stunde durch die Cevennen fuhren. Wir konnten deren Schönheit erahnen, mussten aber bald wieder runter ins Tal, da Übernachten im Nationalpark verboten ist.

Der Ersatzweg war dann auch eine route barrée… ging aber bestens.

In Pont-de-Montvert unten schien wieder die Sonne. Das Örtchen ist sehr hübsch, und zudem an einem Weitwanderweg gelegen, weshalb es an Touristen nicht mangelte. Wir übernachteten in einer sagen wir mal „architektonisch interessanten Gîte„. Immerhin hatte diese einen Wäschetrockner, denn nicht alle von uns hatten die Gepäcktaschen regensicher verschlossen, als sie das Velo in Villfort im Regen parkierten…

Wegen der vielen Touristen mussten wir trotz frischer Temperaturen draussen essen, da sonst alles besetzt war.

Letzter Tag auf dem Velo! Auf einer schönen Teerstrasse bei leichtem Regen hoch, und dann bei sonnigem Wetter alles auf dem Grat oder leicht nebendran bis ein paar Kilometer vor Alès.

Landschaftlich äusserst schön, inklusive eines herrlichen Picknickplatzes, aber zwischendurch wichen wir wegen der schlechten Wege auf die parallele Gratstrasse aus. An der fand sich auch ein Restaurant mit grossem Gastgarten und offensichtlich kleiner Küche, denn „Trinken könnt ihr, aber essen nicht, die Küche ist überlastet“. Wir fingen mal mit Trinken an, konnten uns dann ein Plättchen erbetteln („aber nur mit Fleisch, kein Käse“), das wir dann selbst mit Käse aus dem Laden des Restaurants ergänzten.

Nach Alès hinunter wurde es dann nochmals wild (zwei Platten bei einer ungenannt bleiben wollenden Person, steile verblockte Abfahrt, sich im Dickicht verirrender Veloweg, Stadteinfahrt durch Gewerbegebiet), aber dann waren wir am Ziel unserer Tour!

Fahrzeit: 21h 18min
Distanz: 320.44km
Bergauf: 5’548Hm

In Alès buchten wir uns im Ibis ein und assen zum ersten Mal auf der Tour Pasta, auch wenn wir sie jetzt nicht mehr brauchten 🙂 Geschmeckt hats trotzdem!

Heim nach Basel gings am nächsten Tag im Zug, genauer gesagt in sechs verschiedenen Zügen: Alès – Nîmes – Valence – Lyon – Genf – Bern – Basel. In den ersten fünf Zügen immer das Zittern wegen der Veloplätze, oft standen zwei Dutzend Velofahrer am Perron. Wir hatten immer Glück, andere wurden vom Personal abgewiesen.

Wetter, Wege und Verpflegung waren nicht so gut wie etwa in der Toskana, aber es hat sich trotzdem gelohnt. Sehr schöne Landschaft, mit vielen blühenden Wiesen. Vielleicht mal richtig in die Cevennen? Für nächstes Jahr ist aber erst mal Südspanien angedacht, Badlands heisst die Tour, das tönt doch vielversprechend!