Manchmal macht das Leben seltsame (Um)wege…

Fredi Zimmermann

Im Januar musste ich mein Schwimmtraining einstellen: Schulterprobleme. Statt Besserung durch Physio wurde es immer schlimmer. War anfangs nur Crawl und Delphin nicht mehr möglich, konnte ich bei der Eröffnung des Gartenbades nicht einmal mehr Brust schwimmen. Triathlon ade. Dabei war ich für die Weltmeisterschaften in Lausanne qualifiziert und hatte auch bereits ein Hotel gebucht. Das tat richtig weh.

Dann war es auch mit dem Laufen aus. Anfang April zwangen mich Wadenverhärtungen zu einer Pause und mit der Zeit kamen Verspannungen in der ganzen Beinmuskulatur dazu. Dabei hatte die Saison gar nicht  schlecht begonnen. Am Leimentaler-Lauf war ich auf den 3. Platz gelaufen.

Aber unterdessen trug ich mein Geld zum Arzt und in die Physio ohne dass sich gross etwas änderte. Zum Glück gab es das Velofahren, das ich zumindest auf kleiner Flamme bestreiten konnte, aber ging es einmal härter zur Sache oder die Distanz war länger, machte mein Körper auch da nicht mehr richtig mit.

Das zog sich so den ganzen Sommer dahin und ich hielt mich halbwegs fit mit Training im Niklaus und eben mit Velofahren. Und als ich ausgangs Sommer das Lauftraining wieder vorsichtig aufnehmen konnte, war ich frustriert wie ich durch den Wald schlich und mich jeder und vor allem jede überholte. Auch musste ich immer wieder Trainings-Pausen einlegen, weil  die Muskelverspannungen zurückkamen.

Aber fast noch schlimmer war, wenn ich Bekannten mein Leid geklagt hatte und fast immer die Bemerkung kam: das seien Abnützungserscheinungen, die halt mit dem Alter kommen würden. Dass dies für die Psyche eines Neo-70jährigen nicht eben zuträglich war, war den Leuten wohl nicht bewusst.

Die Herbstläufe kamen und ich wagte mich vorsichtig daran. Ohne Schmerzen durchkommen war das Hauptziel, was mir ganz ordentlich gelang. Rangmässig o.k., Zeiten zum Abwinken.

Und schon stand der Stadtlauf vor der Türe. Mit einem minimalen Trainingsrucksack und ohne Intervalltraining, ist das eigentlich ein no go. Dadurch ging ich ohne Erwartungen an den Start und stand mal 10 Reihen weiter hinten an als üblich ein. Gemütliches losjoggen ohne Druck und Leistungsziel, ist doch auch was. Auf der Wettsteinbrücke steht wie üblich mein  „Fanblock“, diesmal mit Simon, Daniel Hofmann und Patrick Spiegel + Nora. Simon ruft: „hopp Papi du bisch vorne derbii“. Wie will er das wissen in diesem Gewusel von mehr als 500 Läufern und 6 Alterskategorien? Er will mich wohl aufmuntern, das ist ja gut gemeint, aber wie soll ich ihm glauben?

Auf  Runde 2 höre ich das Gleiche noch einmal und Simon läuft dann mit, bis es die Freien runtergeht und spornt mich lautstark an. In der Freien ist wieder Kurt Weber, der mir nochmals Schub gibt. Im Ziel bekomme ich dann doch die Bestätigung, dass ich vorne dabei war, denn ich bekomme den Badge umgehängt, der den Zutritt zum VIP-Truck berechtigt, wo auch die Siegerehrungen vorbereitet werden. Und schon kommt auch Simon angerannt und sagt mir, dass ich gewonnen habe!!! (Natürlich nur bei den Ur-Alten). Das ist ja unglaublich, sensationell. Nach dieser lausigen Vorbereitung. Und auch die Zeit ist ganz gut, für meinen Trainingszustand direkt hervorragend.  Er hat meinen Lauf auch auf dem Live-Tracker verfolgt und gesehen, dass ich das ganze Rennen in Führung gelegen habe. Da aber die Live-Tracker nicht immer exakt sind, habe er mir das nicht gesagt. War auch besser so, vielleicht hätte ich mich nur verkrampft. Reserve auf den Zweiten hatte ich nur knapp 5 Sekunden!

Ende gut – alles gut, nach einer Saison bei der eigentlich alles schief gelaufen ist.

Es war ein Traum von mir, auch einmal den Stadtlauf zu gewinnen. Aber wirklich nur ein Traum – bis zum 30. November 2019 um 21Uhr10.

Der erste Preis eine Tissot-Armbanduhr für rund  400 Franken. Eigentlich toll, da ich aber keine Uhr trage, kann ich nicht viel damit anfangen. Da war mir der Gutschein, den ich von Christoph bekommen habe, viel lieber.

Jetzt habe ich auch einen kompletten Medaillensatz vom Stadtlauf. Wenn du mich fragen würdest  (sonst fragt mich ja keiner): „ was ist dir mehr Wert, der Medaillensatz von den Triathlon-Schweizermeisterschaften oder vom Stadtlauf?“, könnte ich mich nicht entscheiden. Schweizermeisterschaften sind sportlich sicher  wertvoller. Anonym durch Locarno, Zürich oder Genf schwimmen, radeln und rennen hat zwar seinen Reiz. Aber in meiner Heimatstadt (ich bin zwar ein waschechter Baselbieter) durch die weihnächtlich erleuchtet Freie runterpreschen, angefeuert von Bekannten und wildfremden Menschen und vor dem Rathaus die Medaille in Empfang nehmen: ein einmaliges und unbezahlbares Erlebnis.